Podiumsdiskussion: KUNST BRAUCHT KOHLE, 2019

Nebst der Haus- und Pflegearbeit, ist die Kunst- und Kulturproduktion das Arbeitsfeld mit der meisten unbezahlten [Frauen*]Arbeit. Der Kunstbetrieb kann nur aufrecht erhalten werden durch eine zügellose [Selbst]ausbeutung verschiedener Akteur:innen auf jeder Stufe und in fast jeder Funktion. Ein unregelmässiges Einkommen und/oder Anstellungsverhältnisse im Niedriglohnsektor, befristete Arbeitsverträge sowie wechselnde und oft kaum voneinander zu trennende Phasen von bezahlter Erwerbs- und Gratisarbeit und die damit verbundenen lückenhaften oder nicht vorhandenen sozialen Absicherungen bestimmen die Arbeitsrealitäten der [freien] Kultur- und Kunstproduzent:innen. Auch im institutionellen Bereich stellen unbezahlte Überstunden im Bereich der Kunstvermittlung keine Seltenheit, sondern vielmehr eine Norm dar.

Das Selbstverständnis für diverse Formen der Selbstausbeutung beginnt oftmals bereits in der Ausbildung. Neben der immer knapper werdenden Studienzeit müssen zahlreiche ausserhalb des obligatorischen Curriculum erarbeitete Projekte untergebracht werden. Vor diesem Hintergrund stellt eine zeitliche Verfügbarkeit und Bereitschaft zur persönlichen Investition in das Studium bzw. In die künstlerische Arbeit durchaus eine Notwendigkeit dar. Die sozialen Bedingungen unter denen diese Anforderungen erfüllt werden können, machen aber auch deutlich, wer von den Leistungsanforderungen der Kunsthochschule ausgeschlossen bleibt oder nur erschwert Zugang findet: Es sind in erster Linie Studierende mit Arbeits- und Betreuungsverpflichtungen, oder solche mit gesundheitlichen Problemen die diese Verfügbarkeit und Flexibilität nicht oder nur teilweise einlösen können.

Nicht wenige Kunst- und Kulturproduzent:innen gehen davon aus, dass sie diese prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse selbst gewählt haben, um relativ unabhängig und autonom ihre grösstmögliche Entfaltung im Feld zu gewährleisten. Häufig bleiben diese Strukturen und die damit verbundenen Zwänge weitgehend unreflektiert. Sie werden aus Gründen der Scham oder aus Angst vor Ausschluss von zukünftigen Möglichkeiten nicht angesprochen. Zudem ermöglichen diese prekären Verhältnisse sowie der immense Zeit- und Wettbewerbsdruck kaum eine längerfristige «Lobby-Arbeit». Erschwerend kommt hinzu, das die Fördermittel im Bereich der Kultur viel zu tief angesetzt sind, um die prekären Arbeitsbedingungen im Feld zumindest teilweise zu entschärfen.